8.2.07

Diplomgläubigkeit und Diplomschwemme

Nicht nur im Bereich Informatik – da aber ganz besonders – herrscht eine unsagbare Diplomschwemme und Diplomgläubigkeit. Oft verfügen Praktiker über viel bessere Kenntnisse und erzielen im Beruf weit bessere Leistungen als Inhaber irgendwelcher «Diplömchen».

Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig Kenntnisse Absolventen beispielsweise von SIZ-Kursen oder von BBT-Weiterbildungskursen tatsächlich haben. Vor allem: Wer in solchen Kursen erworbene Kenntnisse nicht unmittelbar und regelmässig in praktische Arbeit umsetzen kann, ist innert kürzester Zeit weg vom Fenster. In Weiterbildungskursen des BBT habe ich selber viele Informatikkurse absolviert, die lediglich für die Schulleitung etwas bedeuteten (Nachweis der Weiterbildung), für mich aber wertlos waren.

Noch immer sind viele Lehrkräfte an den Berufsschulen in Informatik schlecht ausgebildet und es gibt Schulleiter, die glauben, jede Lehrkraft müsste ein EDCL-Diplom erwerben, dann sei alles in Ordnung. Weit gefehlt. Entscheidend ist alleine die Motivation, Wissen und Können direkt in die tägliche Arbeit einfliessen zu lassen, sei es in den Unterricht selber (beispielsweise eLearning), in die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen oder in Bereiche der Administration. Dazu müssen Strukturen geändert und die praktische Umsetzung des Gelernten gefordert werden. Eine Möglichkeit beispielsweise wäre, auf jeglichen Papieraustausch unter Kolleginnen und Kollegen zu verzichten. Vielleicht könnte man einmal für eine gewisse Zeit die Fotokopierer aus Schulhäusern verbannen. Ich wette, dass eine Mehrheit der Lehrkräfte nach dem Erwerb eines EDCL-Diploms die Noten ihrer Schüler immer noch mit dem Taschenrechner ausrechnen.

«Ohne Fleiss kein Preis». Das gilt weniger für die Kursbesuche als für die praktische Umsetzung.

Menschen, die ihre Erfahrungen «in der Schule des Lebens» als Praktiker geholt haben, arbeiten meist erfolgreicher als viele «Kürslibesucher».

Praktiker wie Oswald Grübel (Credit Suisse), Nicolas Hayek (Swatch), Marcel Ospel (UBS), Adolf Ogi oder Sepp Blatter sind prominente Beispiele von Leuten, welche ihre Karriere ganz aus der Praxis heraus aufgebaut haben.

Ihr
Beat Hinnen